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Häufige Fragen, konkrete Antworten

Diese Sammlung soll häufige Fragen zum Thema Autismus, ADHS und psychischen Erkrankungen ohne viel Schnörkel durch eine unverklausulierte Antwort abdecken. Im unteren Bereich der Seite finden Sie darüber hinaus eine Sammlung weniger bekannter Symptome für hochkompensierte Autist:innen.

Sind Sie eine betroffene Person? Oder Angehörige? Schreiben Sie mir gerne wenn hier noch etwas erwähnt werden sollte (sehr gerne auch aus der Angehörigen-Perspektive): Mail

Autismus

Haben alle Autisten eine Sonderbegabung?

Nein. Diese Vorstellung kommt aus Filmen. Diese Menschen existieren tatsächlich, sind aber nicht notwendigerweise Autist:innen. Sogenannte „Savants“ (Gelehrte) gibt es weltweit ca. 100.

Warum gibt es immer mehr Autist:innen?

Gibt es nicht. Autist:innen sind im Moment immer noch unterdiagnostiziert.

Aber es gibt doch auch Mode-Autist:innen?

Ja, das ist richtig. Und für echte Autist:innen ist das schwer nachzuvollziehen. Die meisten von uns sind nicht glücklich darüber, sich kaum in „eure“ Gesellschaft einordnen zu können. Echte Autist:innen werden das Spektrum nicht als Auszeichnung sehen, mit der sie sich öffentlich schmücken wollen.

Ist es leicht, sich diagnostizieren zu lassen?

Nein. Jahrelange Wartezeiten auf einen Diagnostiktermin, der damit endet, dass der Diagnostiker noch nie von Masking gehört hat, beschreiben ein realistisches Szenario für Erwachsene, hochkompensierte Autist:innen. Für Kinder ist es einfacher. Hier gibt es schon seit einigen Jahren flächendeckend zumindest eine Grundversorgung, z.B. durch die SPZ.

Wenn wir gerade schon beim Thema waren; wie ist das mit Autist:innen und dem Augenkontakt?

Wenn wir wollen, dann können wir euch stundenlang in die Augen starren. Solange bis ihr wegseht. Das macht dann euch zu Betroffenen. Denn ihr könnt ja keinen Augenkontakt halten. Aber Spaß beiseite. Die meisten von uns können Augenkontakt halten. Wir finden es nur unangenehm. Die die meisten von uns aber die Neigung haben Fragen als Appell zu verstehen werden wir euch definitiv in die Augen schauen, wenn ihr uns fragt ob wir das können.

Warum „hochkompensiert“ und nicht „hochfunktional“?

Hochfunktional beschreibt, den Anforderungen der neurotypischen Gesellschaft in einem hohen Maß nachkommen zu können. Die Person funktioniert – auf einem hohen Niveau. Dies blendet regelmäßig den Tribut aus, den Masking für neurodiverse Menschen fordert und der für Außenstehende in der Regel nicht sichtbar ist. Hochkompensiert passt besser, da es den Willensakt beschreibt die eigene, autistische Persönlichkeit zu unterdrücken (zu kompensieren) um innerhalb der neurotypischen Gesellschaft funktionieren zu können.

Was bedeutet jetzt eigentlich Neurodivers? Und Neurotypisch? Und Neuronormal?

Diese Begriffe beschreiben unterschiedliche Arten, wie unser Gehirn funktioniert. Neurotypisch sind Menschen, deren Denken und Wahrnehmen der gesellschaftlichen Norm entspricht – also ohne Autismus, ADHS oder vergleichbare Diagnosen. Neurodivergent bezeichnet Menschen, deren neurologische Struktur von dieser Norm abweicht, z. B. durch Autismus, ADHS, Tourette oder Dyslexie. Der Begriff hebt Vielfalt hervor, nicht Defizite. Neuronormal wird seltener verwendet und meist ähnlich wie neurotypisch – teils aber auch kritisch, um die Idee einer „richtigen“ Denkweise zu hinterfragen. Gemeinsam stehen alle Begriffe im Kontext von Neurodiversität, also der Anerkennung neurologischer Vielfalt als Teil menschlicher Normalität.

Mein autistischer Freund „klammert“ – woran liegt das?

Bindungen entstehen bei autistischen Menschen anders. Vorhersagbarkeit, Rituale und Sicherheit sind ein weitaus stärkerer Anker als die Dynamik vieler sozialer Beziehungen. Vor allem das Gefühl von Akzeptanz und die Möglichkeit des Unmasking ist sehr bindungsverstärkend für Autistin:en. Dies führt dazu, dass das Gegenüber „markiert“ wird. Die autistische Person empfindet die andere Person als „zu sich zugehörig“. Das Wort der anderen Person gewinnt enorme Bedeutung und ihre Gefühle und Emotionen werden wichtiger, als die eigenen, denn die Person gehört ja zur eigenen Person dazu. Zerbricht diese Beziehung kann dies existentielle Ängste bei der autistischen Person auslösen. Trotzdem kann und sollen Beziehungen hin und wieder auf den Prüfstand gestellt werden (beidseitig). Es dauert bei Autist:innen nur länger. In jedem Fall ist es kein „klammern“ sondern ein Ausdruck tiefer Zuneigung.

Depression

Depression – ist das nicht nur Willenssache?

Nein. Hirn-MRI’s von Betroffenen Personen zeigen eine Unteraktivität in fast allen Bereichen. Das lässt sich nicht durch Willenskraft ersetzen.

Wirklich? Vielleicht müssen die Betroffenen sich auch einfach nur zusammenreißen.

Nett(?) gemeint, funktioniert aber in der Realität nicht. In der totalen Anhedonie (Freudlosigkeit) ist es für Betroffene schon ein Erfolg aus dem Bett steigen zu können.

Etwas Bewegung würde einer Betroffenen Person doch sicher gut tun.

Ja. Aber leider geht das nicht, wenn das Gehirn der Betroffenen nur noch existieren kann. Außerdem invalidieren diese vermeintlich einfachen Lösungen das Erleben der Betroffenen. Sprich: Die Betroffene Person fühlt sich nicht mehr ernst genommen, was psychisch enorm schädlich sein kann.

Angststörungen

Sag doch was ! Wenn der Klügere immer nachgibt, reagiert der Dumme !

Ja. Aber wenn die Aussicht einen anderen Menschen zu konfrontieren massive Angstsymptome auslöst, ist das für die betroffene Person eine große Überwindung und Anstrengung.


Häufige, aber weniger bekannte Symptome bei hochkompensierten Autist:innen

Betroffene können…

  • Schwierigkeiten haben zu merken, ob ihr Gegenüber ein Gespräch fortführen möchte.
  • Schwierigkeiten haben einzuordnen, wie viel Kontakt ihr Gegenüber mit ihnen will.
  • Schwierigkeiten mit sozialer Initiative haben (z.B. Verabredung).
  • Schwierigkeiten haben, ihrem Gegenüber zu sagen, dass sie lieber alleine wären.
  • Schwierigkeiten haben, Gespräche zu beenden.
  • Schwierigkeiten haben wahrzunehmen, wenn sich jemand in ihrer Gesellschaft nicht wohlfühlt.
  • Schwierigkeiten haben, ein Gespräch weiterzuführen.
  • Schwierigkeiten haben, Konflikte zu lösen.
  • Schwierigkeiten haben, Blickkontakt aufnzunehmen.
  • Schwierigkeiten haben, ihre eigenen Gefühle in Konflikten zu spüren.
  • Schwierigkeiten haben mitzuteilen, wie es ihnen geht.
  • Schwierigkeiten haben, Small-Talk zu führen.
  • Schwierigkeiten haben, mit jemand zu flirten.
  • Schwierigkeiten haben, die Körpersprache des Gegenübers zu identifizieren (z.B. ob jemand bereit ist, mit ihnen in Kontakt zu treten).
  • Schwierigkeiten haben wahrzunehmen, wenn sie sich selbst von jemand zurückziehen wollen.
  • Schwierigkeiten haben zu merken, wenn ihnen der Kontakt mit anderen zu viel wird.
  • Schwierigkeiten haben, ihr eigenes Kontaktbedürfnis dem Beziehungslevel mit der anderen Person anzupassen.
  • Schwierigkeiten haben jemanden abzuweisen (aus Angst davor, Regeln zu verletzten).
  • Schwierigkeiten haben, ihre eigenen Bedürfnisse in engen Beziehungen (Freundschaft, Partnerschaft) zu benennen.
  • Schwierigkeiten haben zu erkennen, welche Konsequenz ihr Beharren auf ihr Bedürfnissen haben wird.
  • Schwierigkeiten haben es zu merken, wenn andere keine Lust mehr haben sich zu unterhalten.
  • Schwierigkeiten haben Gespräche zu beginnen – und sie zu beenden.
  • Schwierigkeiten haben, die emotionale Befindlichkeit ihres Gegenübers zu erkennen.
  • Schwierigkeiten haben, ein eigenes Anliegen zu formulieren.
  • Schwierigkeiten haben, die wünsche des Partners zu erkennen.
  • Blind gegenüber Flirt-Versuchen sein.
  • Schwierigkeiten haben, die Wichtigkeit ihres eigenen Anliegens korrekt einzuschätzen.
  • Schwierigkeiten haben, ihren Wunsch nach Ruhe durchzusetzen.
  • Schwierigkeiten haben, Druck oder Missbilligung auszuhalten (z.B. beim Durchsetzen eigener Bedürfnisse).
  • Schwierigkeiten haben, das Befinden anderer Menschen einzuschätzen.
  • Schwierigkeiten haben, ihre eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen, wenn sie mit anderen zusammen sind (wird dann von Kompensation überlagert).
  • Schwierigkeiten haben ein Gespräch mit einer fremden Person zu verweigern.

Hochkompensierte Autisten zeigen oft eine Diskrepanz zwischen ihrem tatsächlichen sozialen Erleben (was sie als schwierig empfinden oder wie sie sich anstrengen müssen) und dem, was nach außen hin sichtbar ist. Sie können oft soziale Situationen meistern, aber dies erfordert häufig bewusste Anstrengung, Imitation und kognitive Verarbeitung anstatt intuitiver Leichtigkeit.

Darüber hinaus haben alle Autist:innen in der Regel:

  • ein assoziatives Gedächtnis mit einem guten Langzeitspeicher, was vergessen erschwert.
  • keine Friendship-Degredation: Freundschaften werden durch längere Trennungen nicht schwächer, bzw. weniger intensiv.
  • eine hohe Reizempfindlichkeit – auch gegenüber Reizen, an die nicht-Betroffene gar nicht denken (können), wie z.B. das Geräusch von Elektrizität.
  • eine Präferenz, was die Nutzung von Sinneskanälen betrifft. Meistens wird ein Sinneskanal bevorzugt (meistes der visuelle Kanal) und die anderen werden vernachlässigt. Gleichzeitig Sehen, Hören etc. ist generell schwierig.
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