Als ich mit einem Freund damals zeitgleich den Antrag auf einen Grad der Behinderung stellte, waren wir gut vorbereitet. Wir hatten gelernt – unter anderem vom DGB-Rechtsschutz –, dass Aspekte wie soziale Integration und Teilhabe am Arbeitsleben wichtig sind. Ich selbst hatte bis zu diesem Zeitpunkt noch nie eine Beziehung gehabt, war aber berufstätig. Der Freund war seit zwei Jahren krankgeschrieben.
Das Ergebnis: Beide Anträge wurden abgelehnt. Seine Begründung? „Sie sind verheiratet.“ Meine Begründung? „Sie sind erwerbstätig.“
In dem Moment hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass es der Gegenseite gar nicht um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Einzelfall ging. Es ging nicht um Argumente, sondern darum, eine Ablehnung mit dem Anschein eines ordnungsgemäßen Verfahrens zu kaschieren. Und dieser Eindruck sollte sich später bestätigen: Selbst als ein fachärztliches Gutachten die Voraussetzungen für einen GdB von 50 befürwortete, blieb das Regierungspräsidium Stuttgart bei der Ablehnung.
Also ging es vors Sozialgericht. Und was geschah dort? Nach zehn Minuten war alles vorbei – weil die Sachlage glasklar war. Die Gegenseite brachte kein einziges Argument vor. Warum also dieses zermürbende Verfahren? Warum dieser zähe Widerstand gegen einen berechtigten Antrag?
Die Antwort ist bitter: Man spekuliert offenbar darauf, dass Antragsteller*innen den Weg nicht zu Ende gehen. Dass sie aufgeben. Die Hälfte der Prozesskosten zahlt übrigens die öffentliche Hand – also der Steuerzahler.
Leider war das kein Einzelfall. Auch beim Antrag auf Teil-Erwerbsminderungsrente wiederholte sich das Muster. Nach einer massiven Dekompensation konnte ich dauerhaft nur noch zu 50 % arbeiten. Also stellte ich den Antrag. Das Ergebnis? Abgelehnt. Begründung: „Sehen wir bei Ihnen nicht.“
Ich forderte die schriftliche Begründung an, um Widerspruch einlegen zu können. Diese ließ vier Wochen auf sich warten. Und kaum war sie da – kam einen Tag später die Ablehnung meines Widerspruchs: „Sie haben keine Begründung abgegeben.“ Wie soll das funktionieren?
Mein Eindruck: Das System hat nur zwei Modi.
Entweder: voll leistungsfähig. Oder: 100 % behindert und abhängig.
Was fehlt, ist ein ehrlicher Umgang mit dem Zwischenraum – für Menschen, die kämpfen, die wollen, aber trotzdem Unterstützung brauchen. Und genau diese Menschen straft das System systematisch ab.