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Der Grad der Behinderung (GdB)

Menschen mit psychischer Erkrankung, Autismus und/oder ADHS können grundsätzlich einen Grad der Behinderung erhalten. Dieser wird durch das örtliche Versorgungsamt festgestellt. Grundlage bietet dabei die Versorgungsmedizinverordnung.

Relevant sind dabei die Beeinträchtigungen, die sich in der alltäglichen Teilhabe der Betroffenen widerspiegeln. Von besonderer Bedeutung ist dabei regelmäßig die Fähigkeit soziale Beziehungen zu finden und aufrecht zu erhalten, sowie die Integration in das Arbeitsleben, sofern seelische Beeinträchtigungen im Zentrum stehen.

Der DGB Rechtsschutz hat auf seiner Webseite eine gute Handreichung zur Verfügung gestellt, die auf den regelmäßigen Referenzentscheidungen von Sozialgerichten basiert.

Die Versorgungsmedizinverordnung

Nach dem Sozialgesetzbuch IX in der Fassung vom 01.02.2018 ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, „ … durch Rechtsverordnung … die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des Grades der Behinderung … maßgebend sind …“

Eine (neue) Rechtsverordnung gibt es seit dem 01.02.2018 nicht. Deshalb gilt weiterhin die Rechtsverordnung aus dem Jahr 2008, die das Ministerium aufgrund des Bundesversorgungsgesetzes erlassen hat.

Versorgungsmedizinische Grundsätze 

In der Anlage 2 zur Rechtsverordnung finden sich versorgungsmedizinische Grundsätze, die einerseits grundsätzlichen Regelungen wie etwa zur Bildung eines Gesamtgrades der Behinderung bei mehreren Einzelbehinderungen treffen. Andererseits geben diese Grundsätze aber auch in Tabellenform vor, welcher Einzelgrad der Behinderung für welche gesundheitliche Beeinträchtigung angemessen ist. Dabei ist häufig lediglich ein Rahmen vorgegeben, innerhalb dessen der Behinderungsgrad liegen muss.

„Nervensystem und Psyche“

Unter dieser Überschrift behandeln die Versorgungsmedizinischen Grundsätze ab Seite 44 den Themenbereich „Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen“.

Dabei sind die gesundheitlichen Beeinträchtigungen unterteilt in

  • leichtere psychovegetative oder psychische Störungen 
  • stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit 
  • und schwere Störungen.

GdB von 50 nur bei schweren Störungen

Stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sind etwa ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen. Sie bedingen höchstens einen Einzelgrad der Behinderung von 40. Deshalb ist die Frage von Interesse, ab wann eine schwere Störung mit mittelgradigen oder gar mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten vorliegt. Dabei sind selbstverständlich die jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Aber dennoch sind allgemeine Kriterien unerlässlich.

Ärztlicher Sachverständigenbeirat

Der Ärztliche Sachverständigenbeirat ist ein weisungsunabhängiges ärztliches Beratungsgremium, das das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in medizinisch-wissenschaftlichen Fragen bei seiner Entscheidungsfindung unterstützt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts können zur Auslegung der Begriffe „leichte“ „mittelgradige“ oder „schwere Anpassungsstörung“ die Abgrenzungskriterien dienen, die dieser Beirat in seiner „Leitlinie für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen“ auf Seite 19 ff entwickelt hat.

Leichte Anpassungsschwierigkeit

Leichte soziale Anpassungsschwierigkeiten liegen vor, wenn eine Berufstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt trotz Kontaktschwäche und/oder Vitalitätseinbuße noch ohne wesentliche Beeinträchtigung möglich ist. Außerdem darf eine wesentliche Beeinträchtigung der familiären Situation oder bei Freundschaften nicht bestehen.

Mittelgradige Anpassungsschwierigkeit

Mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten liegen vor, wenn eine psychische Veränderung eine weitere berufliche Tätigkeit grundsätzlich noch erlaubt, aber bereits eine verminderte Einsatzfähigkeit bedingt. Als weiteres Kriterium gelten erhebliche familiäre Probleme durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung. Es darf aber noch keine Isolierung geben. Auch ein sozialer Rückzug, der etwa eine vorher intakte Ehe oder Freundschaft stark gefährden könnte, darf noch nicht erfolgt sein.

Schwere Anpassungsschwierigkeit

Schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten liegen vor, wenn die weitere berufliche Tätigkeit sehr stark gefährdet oder ausgeschlossen ist. Weitere Kriterien sind schwerwiegende Probleme in der Familie oder im Freundes- oder Bekanntenkreis bis zur Trennung von der Familie, vom Partner oder vom Bekanntenkreis. 

Vorgehen der Sozialgerichte

Die Sozialgerichte können sich an den genannten Kriterien orientieren. Das entbindet sie aber nicht von der Verpflichtung, alle Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen, die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft haben.

Quelle: https://www.dgbrechtsschutz.de/recht/sozialrecht/schwerbehinderte/schwerbehindert-allein-wegen-psychischer-beeintraechtigungen

Praktische Erwägungen

In der Praxis zeigt sich, dass bei vorgerichtlichen Entscheidungen der Versorgungsämter mitunter eine restriktive Haltung erkennbar ist. Es besteht gelegentlich der Eindruck, dass Anträge auf Feststellung eines höheren Grades der Behinderung, insbesondere ab einem GdB von 50, zurückhaltend beschieden werden.

So kann es in vergleichbaren Fällen zu abweichenden Bewertungen kommen – etwa, wenn eine bestehende Ehe (auch bei getrenntem Wohnen und geringer sozialer Interaktion) als Indikator für eine ausreichende soziale Teilhabe gewertet wird. Umgekehrt wird eine bestehende Berufstätigkeit mitunter als Hinweis auf nur geringe Einschränkungen verstanden, auch wenn eine instabile Erwerbsbiografie mit häufigen Arbeitsplatzwechseln oder sozialer Rückzug ebenfalls dokumentiert ist.

Solche Bewertungsansätze können Betroffene verunsichern, insbesondere wenn sie das Gefühl haben, dass ihre tatsächlichen Teilhabeeinschränkungen nicht adäquat berücksichtigt werden. Auch wenn im Einzelfall stets eine umfassende Würdigung aller Umstände erfolgen muss, ist es nicht unüblich, dass eine angemessene Anerkennung erst im Rahmen eines sozialgerichtlichen Verfahrens erfolgt.

Vor diesem Hintergrund ist es ratsam, sich frühzeitig über die geltenden Kriterien zu informieren und gegebenenfalls fachkundige Unterstützung – etwa durch Sozialverbände oder spezialisierten Rechtsschutz – in Anspruch zu nehmen. Ein ablehnender Bescheid sollte nicht vorschnell als abschließende Bewertung verstanden werden.

Gerne biete ich bei der Einordnung und Formulierung eigener Anträge oder Widersprüche begleitende Unterstützung an – aus persönlicher Erfahrung und mit Blick auf typische Fallkonstellationen. Bitte beachten Sie jedoch: Ich bin kein Jurist, meine Hilfe ersetzt keine rechtliche Beratung, kann aber zur besseren Vorbereitung und Reflexion beitragen.

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